Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

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Sven1410
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Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Mal was Neues zu dem o.g. Thema...zur Verwirkung gibts bisher auch noch nicht sonderlich viele Einträge.
Wir können uns eigentlich bisher nicht beschweren, ist in 15 Jahren das erste Mal, dass wir in die Mühle zwischen Beihilfe und Arzt (in unserem Fall Krankenhaus) geraten sind. Hier mal kurz unser Fall:

- Ende November 2015 haben wir eine Krankenhausrechnung bzgl. einer Untersuchung aus dem Jahr 2012, Juni, erhalten.
- Entgegen unserer Gepflogenheit diese nicht sofort bezahlt, sondern erstmal eingereicht.
- Ergebnis: PKV (Debeka) hat ihren Anteil anstandslos bezahlt, die Beihilfe (Hessen) dagegen nicht und verweist auf die Verwirkung, die nach 3 Jahren eingetreten sei.
- Wir haben jetzt das Krankenhaus zu einer Stellungnahme gebeten und die Bezahlung bis dahin erstmal aufgeschoben.

Zur Info, meine Recherchen zur Verjährung und Verwirkung ergaben Folgendes, ohne Gewähr (bin kein Jurist, was man an den Formulierungen aber ohnehin leicht merken wird):

Verjährung
Kann bei einer Arztrechnung niemals durch zu spätes Ausstellen der Rechnung eintreten. Theoretisch kann der Arzt die Rechnung auch noch 30 Jahre nach Behandlungsende ausstellen - verjährt wäre sie nicht. Verjährung kann hier dagegen nur dann eintreten, wenn der Arzt seine Rechnung irgendwann tatsächlich ausgestellt hat und ich als sein Patient diese 3 Jahre lang, gerechnet ab dem Jahresende des Jahres, an dem ich die Rechnung erhalten habe, nicht bezahlt habe. Vergisst der Arzt, nachzufragen, wo sein Geld bleibt, dann hat er nach 3 Jahren wohl kein Anspruch mehr, der Anspruch wäre verjährt.

Verwirkung
Um die gehts ja hier. Ist gesetzlich nicht geregelt, vom Gutdünken der individuellen Richter abhängig und somit ziemlich Wischiwaschi sozusagen. Die Frage ist, ab wann der Patient davon ausgehen kann, keine Rechnung mehr zu erhalten. Dabei spielt natürlich die Zeit eine Rolle, aber auch die Umstände. Die bisherigen richterlichen Urteile, ab wann Verwirkung eintritt, reichen in teilweise sehr speziellen Fällen von 2 bis über 7 Jahre. Allgemein heißt es oft, Verwirkung trete frühestens dann ein, wenn auch eine Verjährung eingetreten wäre, unter der Voraussetzung, der Arzt hätte die Rechnung im Jahre der Behandlung ausgestellt, in unserem Fall wohl frühestens ab Januar 2016.

Und somit zurück zu unserem Fall:
Mal abwarten, was das Krankenhaus zu der angeblichen Verwirkung sagt. Ich kann es mir aber schon denken, werde daher die Rechnung bezahlen müssen und höchstens vielleicht nochmal bei der Beihilfe anklopfen, ob sie sich so ganz sicher in ihrer Interpretation der aktuellen Rechtssprechung ist. Da es hier nicht um einen existenzbedrohenden Betrag geht, werde ich von einer Klage gegen die Beihlife absehen, trotz Rechtsschutzversicherung (mit SB natürlich). Frage mich nur, was passiert, wenn es in so einem Fall mal um größere Beträge geht, dann hört der Spaß irgendwann auf.

Hat irgendjemand ähnliche Erfahrungen machen müssen?
Merci! :)
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Hauseltr
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Hauseltr »

Kannst du da etwas mit anfangen?

Ein Zahnarzt hatte fast vier Jahre mit der Rechnungsstellung gewartet, obwohl es dafür keinen Grund gab. Nachdem der Patient nicht zahlte, wartete der Zahnarzt weitere drei Jahre. Das OLG Nürnberg gestand dem Zahnarzt zwar zu, dass es keine gesetzliche Pflicht gebe, innerhalb derer ein Arzt seine Rechnungen für Behandlungsleistungen erstellen müsse. Es sei jedoch verkehrsüblich, dass Ärzte üblicherweise quartalsweise, spätestens jedoch zum Ablauf eines Kalenderjahres abrechneten. Bei Zahnarzthonoraren sei gemäß § 10 Abs. 1 GOZ der Zugang der Rechnung ausnahmsweise Fälligkeitsvoraussetzung. Wird keine Rechnung erteilt, seien die unter diese Regelung fallenden Forderungen praktisch unverjährbar. Deshalb, so das OLG Nürnberg, sei eine besondere Schutzwürdigkeit des Patienten vor unangemessen verspätet gestellten Rechnungen gegeben. Es kommt Verwirkung in Betracht, wenn seit dem Zeitpunkt, in dem die Rechnung hätte erteilt werden können, die regelmäßige Verjährungsfrist vergangen ist. „Das Zeitmoment der Verwirkung ist deshalb erfüllt“.[3]

https://de.wikipedia.org/wiki/Verwirkun ... schland%29

http://www.forum-schuldnerberatung.de/i ... ungen.html

http://www.kvjs.de/fileadmin/dateien/ju ... irkung.pdf
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Sven1410
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Ja, danke Hauseltr, glaube ich bin auf die Links bei meinen Recherchen auch schon gestoßen. Erst wenn Verjährung eingetreten wäre, käme Verwirkung in Betracht. Und das scheint mir bei unserem Fall nicht gegeben.

Ich sollte vor dem nächsten Posting vielleicht aber mal einen Deutschkurs besuchen, wir haben das Krankenhaus natürlich nicht zu einer Stellungnahme, sondern um selbige gebeten. Auweia :D
Aubacke
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Aubacke »

Es geht nur um die Rechnungsstellung (Datum der Rechnung, nicht wann die Behandlung war) des Arztes. Wenn man 3 Jahre zu spät einreicht, gibts nichts. Hat man ja auch selber schuld.
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Sven1410
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Stimmt, Aubacke, wenn man Rechnungen erst Jahre später einreicht, wird sich die Beihilfe (auch meiner Meinung nach zu Recht) weigern, zu zahlen. Wir haben aber direkt nach Erhalt der Rechnung diese eingereicht, das ist gar nicht der Punkt. Problem bei uns ist, dass die besagte Rechnung mit Rechnungsdatum 30.11.2015 eine Leistung abrechnet, die bereits im Juni 2012 erbracht wurde.
Blue Ice Ultra
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Die Begründung der Bh-Stelle ist schlichter Unsinn. Der Umstand allein das die Rechnung erst nach 3 Jahren gestellt wird führt nicht zwangsläufig zur Verwirkung. Die Bh-Stelle kann auch gar nicht die Einwendung der Verwirkung erheben, da sie nicht Vertragspartner ist.

Die Ablehnung der Bh-Stelle ist nach dem Motto gestrickt: "Wir lehnen erstmal ab und wenn der Betroffene Widerspruch erhebt zahlen wir nach".
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Sven1410
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Update - der Fall ist nun zum Glück doch noch gut ausgegangen, die Beihilfe hat ihren Anteil gezahlt. :D
Zu beurteilen, ob dies nun aus Einsicht oder Kulanz geschah, möchte ich mir als juristischen Laien nicht anmaßen und ist letztendlich ja auch egal.

Bis es soweit war, war noch ein wenig Schriftverkehr notwendig, aus dem ich hier zitiere:

Begründung der unimed, warum keine Verjährung vorliegt (die eigentlich auch niemand unterstellt hat):
"[...] Dennoch wurde die o.g. Liquidation korrekt erstellt, da die Fälligkeit des Arzthonorares erst nach Erteilung einer Rechnung eintritt. [...]. Dabei richtet sich die Fälligkeit des Arzthonorares nicht nach der allgemeinen Regelung des BGB, wonach ein Anspruch mit Leistungserbringung fällig wird (Abschluss der Behandlung), sondern tritt nach der ausdrücklichen Regelung in § 12 Abs. 1 GOÄ erst mit Erteilung einer Rechnung ein [...]. Des Weiteren ist zusätzlich der Zugang der Rechnung für den Beginn der Verjährung des Honoraranspruches maßgeblich. Somit beginnt die Verjährung für eine Rechnung, die im Jahr 2015 erstellt und dem Patienten zugegangen ist, mit Ablauf des 31.12.2015 und verjährt, sofern keine Hemmung der Verjährung erfolgt, dementsprechend mit Ablauf des 31.12.2018."

Warum auch eine Verwirkung (mit dieser hatte die Beihilfe ihre Zahlung zunächst verweigert) nicht eingetreten ist, begründet die unimed so:
"Bitte beachten Sie, dass für die Annahme einer Verwirkung zum Einen erforderlich ist, dass seit der Möglichkeit der Geltendmachung der Honorarforderung eine längere Zeit vergangen ist (sogenannter Zeitmoment) und zum Anderen sich der Zahlungspflichtige aufgrund des Verhaltens des Zahlungsberechtigten darauf eingerichtet hat, dass dieser seinen Anspruch nicht mehr geltend machen wird, so dass aufgrund eines Vertrauensbestands (sogenannter Umstandsmoment) die verspätete Durchsetzung des Rechts als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende Härte erscheint (vg. Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 242, Rdn 93 bis 95). Vorliegend kommt eine Verwirkung des Honoraranspruches nicht in Betracht, weil - wie vorab erläutert - der bloße Zeitablauf nicht ausreichend ist und das Hinzutreten weiterer Tatsachen nicht vorgetragen wurde, aus denen hätte gefolgert werden können, dass die Universitätsmedizin [...] die Forderung nicht mehr geltend machen würde (vgl. Entscheidung des OLG Nürnberg vom 18.09.2000, Az. 5U 1991/00)."

Die Beihilfe erwiderte noch einmal:
"Laut BGB sind Aufwendungen verfallen, wenn sie nach Ablauf des laufenden Jahres sowie zweier weiterer Jahre in Rechnung gestellt wurden. Dies ist hier der Fall, da die Rechnung erst in 2015 erstellt wurde, die Behandlung aber in 2012 stattfand."
Torquemada
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Torquemada »

Nach dieser Argumentation könnte eine Rechnung auch nach 20 Jahren in den Briefkasten flattern. Sofern hier kein höchstrichterliches Urteil vorliegt, können wir Laien uns nur unsere Gedanken machen....
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Sven1410
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Ich finde es auch verwunderlich, dass sich scheinbar eine Berufsgruppe aus den Gesetzen des BGB einfach so herausstehlen und für sich in einem eigenen Regelwerk, in diesem Fall der GOÄ, eigene Fristen setzen kann. Ist aber ganz offensichtlich geltendes Recht.
Silencium
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Silencium »

Die Prüfung der Verwirkung und ggf. die Bejahung der Voraussetzungen dieser Einwendung sind stark einzelfallabhängig, bewusst hat der Gesetzgeber daher auf eine entsprechende Regelung verzichtet und die Verwirkung als Rechtsgedanken dem § 242 BGB entnommen. Man kann daher nicht pauschal sagen, dass in den Fällen X und Y immer nach 3, 5, 7 usw. Jahren ein Anspruch verwirkt wäre.

Die Abrechnungsstelle hat hier m.E. auch rechtsdogmatisch korrekt argumentiert und insbesondere sich auf das fehlende Umstandsmoment berufen. Eine andere Beurteilung hätte sich im gegenständlichen Zeitrahmen m.E. nur dann ergeben, wenn der Schuldner das Umstandsmoment bspw. dadurch manifestiert hätte, in dem er bspw. im Jahr 201 telefonisch nachgefragt hätte, ob noch im dann laufenden Jahr 2013 mit einer Rechnungsstellung zu rechnen ist. Wäre auch 2013 und 2014 keine Rechnung erstellt worden, hätte man das Umstandsmoment - und damit die Verwirkung - bejahen können.

Ansonsten braucht man aber nach Maßgabe der jeweiligen Rechtsprechung deutlich längere zeitliche Phasen, bzw. konkrete Vermögensdispositionen die das Umstandsmoment bejahen lassen.

Im übrigen wird durch § 12 GOÄ keine Sonderregelung geschaffen, sondern nur klargestellt - zum Vorteil des Schuldners - das ärztliche Leistungen erst mit Liquidation fällig sind. Das hat aber weder mit der Verjährung, noch mit der Verwirkung unmittelbar zu tun.
"Ungerechtigkeit ist relativ leicht zu ertragen, Gerechtigkeit tut weh." (Henry Louis Mencken)
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Baumschubser
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Baumschubser »

Torquemada hat geschrieben:Nach dieser Argumentation könnte eine Rechnung auch nach 20 Jahren in den Briefkasten flattern. Sofern hier kein höchstrichterliches Urteil vorliegt, können wir Laien uns nur unsere Gedanken machen....
Gabs da nicht irgendwo eine 4-Jahres Frist? Ich meine, bei Handwerkerleistungen war das so.
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Sven1410
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von Sven1410 »

Muss das Thema leider nochmal aufwärmen...heute (02.03.2017) kam tatsächlich, und wieder von der unimed GmbH, eine Rechnung über eine Behandlung, die bereits am 07.10.2014 stattgefunden hat. Ich bin gespannt, wieviel Zeit und Nerven mich das wieder kosten wird, die Beihilfestelle in Kassel davon zu überzeugen, dass keine Verwirkung geltend gemacht werden kann. Für den Fall, dass es entweder a) wider Erwarten ohne Probleme vonstattengeht oder aber b) es einen neuen Aspekt gibt, der hier noch nicht erörtert wurde, melde ich mich an dieser Stelle nochmal.
nobse1602
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Re: Verwirkung (und Verjährung) von Arztrechnungen

Beitrag von nobse1602 »

In meinem Beihilfebuch heißt es:

Beihilfe-Anträge sind zu stellen:
innerhalb eines Jahres nach Entstehung der Aufwendungen oder der ersten Ausstellung der Rechnung.

Das dürfte also kein Problem sein.
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