Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

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Buzzi
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Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Buzzi »

Hallo,
in zwei Fällen, und vermutlich regelmäßig, jedenfalls zwei Fälle liegen mir vor, wurden in meiner Dienststelle Anträge zur Heilbehandlung gestellt, die nicht nach GOÄ (Gebührenordnung Ärzte) abgerechnet werden können, aber ärztlich empfohlen wurden. Ebenfalls fanden die Anträge die Unterstützung der Amtsärztin. In beiden Fällen ging ein langer Dienstausfall voraus.
Es handelte sich zum einen um einen Antrag zu einem Sanatoriums-Aufenthalt zwecks C2H5OH-Entzug, beim zweiten Fall um Fördermittel für einen spätdiagnostizierten Autisten.
In beiden Fällen antwortete die Dienstleitung etwa wie folgt: Grundsätzlich kommt hier die Fürsorgepflicht des Dienstherren in Frage. Spezialgesetze setzen dieser allerdings Grenzen, z.B. im Rahmen der Beihilfe und dies und das etc. , daher nicht genehmigt.
Beide wurden in den Ruhestand versetzt ohne Möglichkeit der empfohlenen REHA-Maßnahmen. Einer ist bereits tot.
Einen Hinweis oder Rechtsbehelf gegen dieses Spezialgesetz wurde nicht formuliert. Es ist auch nichts darüber zu finden. Kennt sich jemand mit solchen Spezialgesetzen aus oder ist das nur eine Ausrede?
Vielen Dank.
Torquemada
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Torquemada »

Buzzi hat geschrieben: Es handelte sich zum einen um einen Antrag zu einem Sanatoriums-Aufenthalt zwecks C2H5OH-Entzug, beim zweiten Fall um Fördermittel für einen spätdiagnostizierten Autisten.
Probleme bei einer Reha wegen Alkoholismus? Warum? Das ist doch ein häufiger Fall.
Dass ein Lebenszeitbeamter geltend macht, er sei spätdiagnostizierter Autist ist hingegen schon ein Kuriosum.
Buzzi
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Buzzi »

Die Beihilfestelle und PKV (auf Nachfrage) zahlen ausschließlich Behandlungen, die nach GOÄ ausgestellt sind. REHA-Kliniken stellen die Rechnung aber nicht detailiert auf sondern nach Tages - oder Wochen - Tarifen. Kostenträger sind hier in der Regel die Rententräger und sehr entgegenkommend, im Sinne der Verhinderung von Versorgungsfällen. Bei Beamten wird der Antrag an die Beihilfestelle weitergereicht an den FB Personal. In meiner Dienststelle wird stets s.o. abgelehnt und eine Krankenhausbehandlung (die übrigends viel teurer ist) angeschoben, bzw. angeordnet.

Unter dieser Prämisse, bzw. Mithilfe des DH bei der Heilbehandlung, hat der Lebenszeitbeamte eine Reise quer durch die psychiatrische Landschaft gemacht. Dabei begegnet man vielen Ärzten und Therapievorschlägen, die man sich nicht ausgesucht hat. Das geht dann so in dem Rythmus Amtsarzt, Gutachter, Zwangseinweisung, Arbeitsauforderung. Kann beliebig oft wiederholt werden. Auffallend dabei die widersprüchlichen Anweisungen des FB Personal gegen ärztl. Empfehlungen (auch der med. Abt.) und Anträgen des Beamten (neben vollmundigen Drohungen (Lohnabsenkung, Drecksarbeit) bis expliziten Beleidigungen(Simulant, Schmarotzer).
Mit der Autismus-Diagnose gingen natürlich auch ärztl. Empfehlungen, wie eine heilpädagogische Fördermaßnahme zur Begleitung einer Wiedereingliederung. Natürlich wieder abgelehnt und zwangspensioniert. Damit ging ein etwa 4jähriger Streit um Diensttauglichkeit endlich zu Ende. Am Ende stehen aber auch Herzerkrankung, Behinderung, Frühverrentung und etliche Monate in teil- und vollstationärer Behandlung. Kostenpunkt für Behandlung schätzungsweise Richtung 100.000€ ohne wesentliche Besserung.

Mit dem Alki wurde das 7 Jahre lang so gemacht, dem wahrscheinlich längstem Krankenschein der Welt. Bei der Zurruhesetzung ging er bereits am Rollator und starb wenige Jahre später. Er dürfte insgesamt Jahresfrist allein auf geschlossenen Abt. verbracht haben. Kostenpunkt über dem Daumen das 10fache wie zuvor.

Soviel zur den Vorzügen der Beamtenlaufbahn oder als Beamter kann einem nichts mehr passieren. So wie das im Moment aussieht und auch durch andere Postings schimmert, ist die Chance einen Ruhestand bei möglichst bester Gesundheit und Würde zu erleben gering. Am Ende stehen allzuhäufig Endstation Psychiatrie, Suizid, Herzversagen oder spurloses Verschwinden.
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lexmark
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von lexmark »

Unglaublich..... :shock:

Ja, da braucht man echt ein dickes Fell, um nicht zermahlen zu werden. Jeder Mensch ist nicht gleich stabil.
Buzzi
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Buzzi »

Wollte nicht ausschweifen (wäre ein anderes Thema). Zuviel reden oder schreiben ist nicht von Vorteil. Würde gerne mehr über Spezialgesetze erfahren, die offenbar über dem Gesetz stehen.
Silencium
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Silencium »

Buzzi hat geschrieben:Würde gerne mehr über Spezialgesetze erfahren, die offenbar über dem Gesetz stehen.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist ein sehr abstrakter und im Einzelfall mitunter sehr schwer greifbarer Begriff. Er ist so alt wie das Beamtentum selbst und geht noch über die Zeiten vor Friedrich dem Großen in der Geschichte zurück. Gleichwohl kommt ihm auch heute noch Verfassungsrang zu (Art. 34 Abs. 4 GG) und kennzeichnet die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums.

Logischerweise muss diese verfassungsrechtliche Prämisse also auch - mitunter sehr diffizil - ausgestaltet werden. Dies geschieht eben anhand der einschlägigen Beamtengesetze, Verordnungen und im Rahmen dieser natürlich auch mittels von Einzelfallentscheidungen. Einzelfallentscheidungen sind oft sehr schwierig, da nahezu immer dem individuellen Gerechtigkeitsempfinden der betroffenen nur schwer Rechnung getragen werden kann.

Weder kann noch will ich hier individuelle Schicksale werten oder beurteilen. Aber um auf den - zumindest von mir so verstandenen - Inhalt der Frage zurück zu kommen:

Ja, der Dienstherr kann - auf gesetzlicher Grundlage - natürlich den Fürsorgegrundsatz konkretisieren und ausgestalten. Dies geschieht mit nahezu allen verfassungsrechtlichen Grundprinzipien, da diese sonst völlig konturlos wären. Entscheidend ist einzig, dass der verfassungsrechtliche Kern nicht unterlaufen wird.
Im übrigen gilt der juristische Grundsatz "lex specialis derogat legi generali" (Das speziellere Gesetz/Recht geht dem allgemeineren vor).
"Ungerechtigkeit ist relativ leicht zu ertragen, Gerechtigkeit tut weh." (Henry Louis Mencken)
Buzzi
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Re: Spezialgesetz schränkt Fürsorgepflicht ein?

Beitrag von Buzzi »

Vielen Dank!
Problematisch ist eben das gesetzliche Rechtswege offen zu lesen sind. Das Dickicht aus Verordnungen und Spezialgesetzen jedoch nicht zu zugänglich ist. Während zu Amtsentscheiden rechtmäßig ein Rechtsbehelf gehört, fällt die Anwendung von Spezialgestzen lapidar aus.
Ziemlich grotesk. Während die Antragsteller - dienstlich aufgefordert - ihre Anträge stellten, ließ der FB Personal 1 ganzes Jahr bis zum Entscheid auf sich warten und lehnt mit Hinweis auf Spezialgesetze lapidar ab. Gleichwohl bekahmen die Beamten Vorhaltungen wegen der langen Dienstausfallzeit und die entsprechenden Konsequenzen.
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