Anfechtung Gutachten

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Emma61
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Emma61 »

Ohne jetzt wieder auf die gesamte Thematik eingehen zu wollen, hier nur folgendes:

Mein Dienstherr hat dem Gutachter (unter anderem) die Frage gestellt, ob meine Bildschirmtauglichkeit eingeschränkt sei. Der Gutachter hat, ohne eine einzige Untersuchung hierzu durchgeführt zu haben und ohne jeglichen Hinweis in den zahlreichen vorgelegten Arzt-/Klinikberichten, im November 2014 festgestellt, dass meine Bildschirmtauglichkeit eingeschränkt wäre. Bei meiner chronischen neurologischen Erkrankung (MS) KANN die Bildschirmfähigkeit eingeschränkt sein, MUSS es aber nicht. In einer mehrstündigen Untersuchung auf meine Veranlassung in einer renommierten Klinik wurde im Januar 2015 festgestellt, dass meine Bildschirmtauglichkeit in keinster Weise eingeschränkt ist.

Anders als viele andere MS-Patienten habe ich in der Vergangenheit niemals eine Sehnerventzündung oder irgendwelche anderen Probleme mit den Augen gehabt. Laut Aussagen meines behandelnden Neurologen und meiner Schwiegertochter, die in circa zwei Monaten ihren Facharzt für Neurologie an der hiesigen Uniklinik absolvieren wird (und somit auf einem ziemlich aktuellen Stand der einschlägigen Forschung ist) kann man auch bei MS ohne entsprechende Untersuchung keinerlei Aussage über die Bildschirmtauglichkeit treffen.

Dies ist nur ein Beispiel, welches ich hier anführe, weil es sich am besten widerlegen lässt (und durch die Untersuchung im Januar bereits widerlegt ist). Mein Dienstherr hat dem Gutachter noch andere Fragen gestellt, die dieser, ebenfalls ohne wirkliche Untersuchungen, in teilweise absurder Art und Weise und im Gegensatz zu vorgelegten Arztberichten beantwortet hat. Sicherlich kann ein Gutachter von vorgelegten Arztberichten abweichen. Soweit er dies tut, muss er dann jedoch zumindest begründen, warum er von den Einschätzungen der anderen Ärzte/Kliniken abweicht. Dies hat er in keinem der angesprochenen Fälle getan. Das wäre ihm sicherlich auch schwergefallen, weil er, wie gesagt, keine entsprechenden Untersuchungen durchgeführt hat.

Der untersuchende Gutachter war ebenfalls Facharzt für Neurologie und hätte als solcher wissen müssen, dass nicht alle MS-Patienten per se bildschirmuntauglich sind.

Im letzten Jahr habe ich an einer sechswöchigen Arbeits- und Belastungserprobung in einer einschlägigen Klinik teilgenommen. Im Ergebnis dieser Erprobung wurde festgestellt, dass ich vollschichtig arbeitsfähig bin, weil die MS-bedingten Einschränkungen, gerade im Hinblick auf meinen Dienstposten, so gut wie keine Relevanz haben.

Aus den aufgeführten Gründen bezeichne ich das Gutachten aus November 2014 nach wie vor als Falschgutachten, weil sich der Gutachter angemaßt hat, nach einem gerade mal achtminütigem Gespräch Aussagen über meine Dienstfähigkeit zu treffen, die im krassen Widerspruch zu sämtlichen Vorbefunden stehen. Hierbei hat er auch die Untersuchungsergebnisse seiner eigenen Assistentin (bei ihm angestellte Ärztin), die mich circa 50 Minuten lang neurologisch und anamnestisch untersucht und hierbei keinerlei gravierenden physischen oder psychischen Defizite festgestellt hat, völlig außer acht gelassen.

Als er sein Gutachten abgab, hat er nicht geahnt, dass ich sämtliche Untersuchungsergebnisse durch meinen Anwalt einfordern würde. Dadurch konnte ich nachweisen, dass er nicht nur von fremden ärztlichen Einschätzungen sondern sogar von den in seiner Praxis erhobenen Untersuchungsbefunden erheblich abgewichen ist.
Blue Ice Ultra
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Argumentativ reicht Deine Begründung dafür das Gutachten nicht zu verwenden, aber soweit waren wir bzw. die DRV ja schon.

Ein Falschgutachten sehe ich dennoch nicht (allenfalls schlechtes Handwerk), aber mich würde interessieren was die Staatsanwaltschaft bisher dazu sagt.
Blue Ice Ultra
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Und? Was sagt der Staatsanwalt?
Emma61
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Emma61 »

Der Staatsanwalt hat das Verfahren eingestellt. Nach reiflicher Überlegung habe ich das nicht weiter verfolgt. Die strafrechtliche Einstellung des Verfahrens hat jedoch nichts mit meinen zivilrechtlichen Ansprüchen zu tun. Es wurde lediglich festgestellt, dass man den Ärzten nicht nachweisen kann, dass sie wider besseres Wissen gehandelt haben, und somit kein offensichtlicher Straftatbestand vorhanden ist.
Mein Dienstherr holt sich momentan die Kosten für das nicht verwendbare Gutachten zurück. Sobald dies geschehen ist, werde ich gemeinsam mit meinem Anwalt meine zivilrechtlichen Ansprüche geltend machen.
Da mittlerweile geklärt ist, dass das Gutachten wegen der zahlreichen offensichtlichen Fehler keine Verwendung finden wird, habe ich hier sehr gute Chancen.
Lutz68
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Lutz68 »

...nicht wider besseren Wissens gehandelt.... Das ist schon ein Hammer! ich kann dich verstehen, irgendwann resigniert man auch oder verliert einfach die Kraft! Schade dass man jemanden, der aus Bequemlichkeit oder Ignoranz solche Arbeit abliefert, nicht habhaft werden kann.... Gerade dann, wenn es sich vlt. auch um existentielle Aspekte handelt. Das Netz steht voll von genau solchen Dingen, wenngleich man hier Vorsichtig sein muss mit seinen Bewertungen. Ich will gar nicht wissen, wie viele Menschen durch so einen Umstand "geschädigt" und vlt. auch existentiell gefährdet werden.

Das das Gutachten nicht verwendet werden konnte oder durfte, muss wohl jedem klar denkenden Menschen einleuchten. Leider ist nicht jeder Mensch so ausgeprägt, dass er sich gegen solche Dinge wehren kann. Vielleicht sogar aus gesundheitlichen Gründen, die genau dieser Gutachter bewerten sollte. :-(
Emma61
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Emma61 »

Lutz68, es ist auch für mich nach wie vor der Hammer. Ich habe mich jedoch dafür entschieden, meine Energie in die nun bald anstehende neue Begutachtung zu stecken, anstatt mich weiter mit der Strafverfolgung zu beschäftigen, zumal mein Anwalt meinte, es könne so oder so ausgehen. Auf die neue Begutachtung habe ich mich sehr intensiv vorbereitet, indem ich alle möglichen Untersuchungen habe vornehmen lassen. Dadurch habe ich nun so viele positive Arztberichte, dass ich, selbst wenn der neue Gutachter ebenso voreingenommen bzw. nachlässig sein sollte wie der erste, genügend Nachweis über meinen tatsächlichen Gesundheitszustand habe.

Auf Anraten meines Anwalts habe ich die Untersuchungen fast ausschließlich von mir fremden Ärzten durchführen lassen, damit man später nicht sagen kann, meine vertrauten Ärzte würden nur mir zuliebe positive Gutachten ausstellen. Der neuerlichen Begutachtung sehe ich daher momentan sehr gelassen entgegen. Wir werden dem Gutachter im Vorfeld alle Gutachten, Arztberichte und objektiven Untersuchungsergebnisse (MRT, Augenuntersuchung, Konzentrationstest, Mobilitätsuntersuchung etc.) vorlegen.

Das ganze hat mich sehr viel Kraft gekostet, die ich eigentlich viel lieber in meine Arbeit gesteckt hätte. Wenn ich mich jedoch nicht gewehrt hätte, wäre ich voraussichtlich mittlerweile schon vorzeitig pensioniert. Und das, obwohl mir vorgestern der leitende Oberarzt der MS-Ambulanz der hiesigen Uniklinik auf meine Frage, ob er mich für dienstfähig hielte, geantwortet hat, dass er allenfalls von einer Tätigkeit am Hochofen abraten würde. Das mag noch mal verdeutlichen, wie absurd das Gutachten war.

Wenn das neue Gutachten vorliegt, und ich dann endlich wieder normal meiner Tätigkeit nachgehen kann, werde ich die beiden Gutachter (DRV und externen Gutachter) zivilrechtlich noch auf Schadensersatz verklagen. Und da stehen meine Chancen laut Anwalt sehr gut. Darauf freue ich mich schon (werde mir von dem Geld einen schönen Urlaub gönnen) und ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass ich diesen Schritt noch gehe, um die Gutachter eventuell davon abzuhalten, in Zukunft weiterhin so absurde Gutachten zu erstellen.
Blue Ice Ultra
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Blue Ice Ultra »

Emma61 hat geschrieben: Wenn das neue Gutachten vorliegt, und ich dann endlich wieder normal meiner Tätigkeit nachgehen kann, werde ich die beiden Gutachter (DRV und externen Gutachter) zivilrechtlich noch auf Schadensersatz verklagen. Und da stehen meine Chancen laut Anwalt sehr gut. Darauf freue ich mich schon (werde mir von dem Geld einen schönen Urlaub gönnen) und ich glaube auch, dass es sehr wichtig ist, dass ich diesen Schritt noch gehe, um die Gutachter eventuell davon abzuhalten, in Zukunft weiterhin so absurde Gutachten zu erstellen.
Dein Anwalt kommt ja durchaus zu interessanten Einschätzungen.

Anfang d.J. hieß es noch:
Emma61 hat geschrieben:Ich war bereits beim Anwalt, der für mich die Anfechtung des Gutachtens im Hauptsacheverfahren durchführen wird. D.h., wir werden eine entsprechende Verfügung gar nicht erst abwarten.

Die Strafanzeige habe ich auch mit ihm besprochen, werde ich aber aus Kostengründen selbst erstatten. Er wird mich jedoch dabei unterstützen. Die Tatbestandsvoraussetzungen sind gegeben, weil es sich um ein Gesundheitszeugnis zur Vorlage bei meinem Dienstherrn, und somit einer Behörde, handelt. Auch ist das Gesundheitszeugnis nach Einschätzung meines Anwalts so offensichtlich unrichtig, dass der Gutachter es wider besseres Wissen ausgestellt haben MUSS.
Das Ergebnis dieser Einschätzung haben wir ja mittlerweile.

Nun bin ich mal gespannt ob das Gericht ggf. Deiner Ansicht folgt.
Emma61
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Emma61 »

Zivilrechtlicher Schadensersatz ist eben nicht mit strafrechtlicher Verantwortlichkeit zu vergleichen. Dass die Gutachten falsch sind, steht ja mittlerweile eindeutig fest. Man kann halt nur nicht nachweisen, dass dies wissentlich geschehen ist.
Gerda
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Gerda »

http://www.morgenpost.de/vermischtes/ar ... tiert.html

....das nur mal interessenhalber....

Grüssle Gerda
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sonnenstrahl
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von sonnenstrahl »

Ich werde meine ärztlichen Falschbegutachtungen auch auf dem Wege des Strafrechtes anfechten. Nachweisen kann man dass mit den ärztlich berufsrechtlichen Vorgaben die u.a. in der Berufsordnung der Ärztekammer des jeweiligen Bundeslandes enthalten sind. Gruß Michael
Emma61
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Emma61 »

Hallo Michael, auch ich werde das noch tun, aber es ist ein langer Weg. Mittlerweile habe ich zumindest schon einmal ein neutrales Gutachten, das meine volle Dienstfähigkeit zum Ergebnis hat. Daraufhin arbeite ich seit gut vier Wochen wieder. Hätte ich das Gutachten nicht angefochten, wäre ich mittlerweile lange pensioniert. Das positive neue Gutachten war laut Aussage meines Anwalts die erste Voraussetzung, um den Falschgutachter überhaupt zu belangen. Neben dem neuen Gutachten habe ich aber auch noch Atteste und Gutachten meiner behandelnden Ärzte. Das Ganze wird nicht leicht, aber ich denke, dass ein Gutachter, der zu Gunsten seines eigenen Profits wissentlich falsche Gutachten erstellt, dafür auch unbedingt belangt werden sollte.
Frank Reich
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Frank Reich »

Ich möchte die Betroffenen von Falschgutachten, die eine Strafanzeige erstatteten oder erwäg(t)en, mal fragen, ob das Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses der einzige Tatbestand ist/war.
Häufig sind meiner Einschätzung nach ja weitere Tatbestände denkbar und erfüllt. So sind es in meinen Fall (natürlich! eingestellt; Beschwerde kommt noch, wenn ich in der Lage bin) 7-8 vorwerfbare Straftaten, angefangen bei gefährl. Körperverletzung über unrichtiges Gesundheitszeugnis bis Datenschutzverstöße und Verrat von privaten Geheimnissen.

gegrüßt von Frank Reich
es grüsst Frank Reich
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tiefenseer
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von tiefenseer »

Hallo Frank Reich,

vorab mal eine Frage zu Deinem Beitrag.

Warum willst Du den Strafermittlungsbehörden die Arbeit abnehmen?

Die StA ist in der Verantwortung aus der Fülle Deiner Informationen die richtigen Straftatbestände heraus zu filtern und auf deren Grundlage eine Anklage zu erheben.
Ob solch ein Strafermittlungsverfahren gg. Mitarbeiter der "öffentlichen Hand" bzw. gg. den DH tatsächlich bis in den Gerichtssaal gelangt, werden Dir ab nur die sagen können, die den Versuch schon einmal (oder mehrmals) unternommen haben.

Ich mußte mir dieser Tage von einem "altgedienten" Juristen sagen lassen, dass nur 2 bis 3 Prozent aller Klagen gegen medizinische (Falsch-)Gutachten bis zu einem Urteil zu Gunsten des Klägers bei Strafgerichten zum Erfolg führen.

Das deckt sich mit meinen grundsätzlichen Erfahrungen bei der Hinzuziehung von Justizia...denn Rechtsschutz, wie es im Grundgestz verankert wird...gibt es nicht...mir hat mal jemand gesagt...in der BRD gäbe es lediglich eine relative Rechtsstaatlichkeit...was für "positive gedankliche Luftschlösser"...

Noch einen schönen Sonntag
vom Tiefenseer
Ärgere Dich nicht über Deine Fehler und Schwächen, ohne sie bist Du zwar vollkommen, aber kein Mensch mehr.
Frank Reich
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Re: Anfechtung Gutachten

Beitrag von Frank Reich »

Hallo Tiefenseer,

von "abnehmen wollen" kann gar nicht die Rede sein. Ja, es sind durchwegs Offizialdelikte, tw mit bis zu 5 Jahren Strafandrohung. Aber in der Justiz war man so schlau, entsprechende Richtlinien zu formulieren, die Staatsanwälte (wenn auch unzulässig) die Legitimation, mehr noch eine Arbeitsanleitung geben. Hier hält man sich auch ganz bewusst gerne an die Vorgaben bei Strafanzeigen, die auf dem Privatweg erfolgen und gibt hier schon vor, dass es der StA tatbestands- und beweismäßig so vorzulegen ist, dass praktisch keine weiteren Ermittlungen mehr nötig sind.

Deswegen kam auch meine Frage nach möglichen weiteren Tatbeständen, die i.d.R. gleich mit abgeschmettert werden.

Bei nächster Gelegenheit gebe ich auch die Grundlagen und Fundstellen dazu, wie es sich gehört (ist für mich momentan etwas schwierig).


gegrüßt von Frank Reich
es grüsst Frank Reich
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